Hinschauen – nicht immer einfach, aber immer gut!

– Interview mit der Zahnärztin Dani über 15 Jahre Erfahrung in unserer Aufstellungsarbeit –

 

„Es ist egal, was Du tust. Es ist nur wichtig, dass Du es tust.“

 

Dalai Llama

– Verdeckte Aufstellung: Warum machen wir Aufstellungen? Weshalb erzählen wir uns vorher nicht, worum es geht? Was kann man falsch machen? Warum kommen wir immer wieder zusammen? Wie ist es, Stellvertreter für andere zu sein? Ich habe ihr wirklich Löcher in den Bauch gefragt, um einen kleinen Einblick in die Arbeit zu verschaffen. 

Dani arbeitet als Zahnärztin in der klinischen Forschung und lebt mit ihrem Freund im Rheinland. In ihrer Freizeit genießt sie jede Art von Bewegung: trainiert Lauftreffs, liebt Hundespaziergänge, Yoga, Wandern und – sie ist glücklicherweise seit 15 Jahren bei unserer ‚Aufstellung ohne Information‘ mit von der Partie.
Als ganz ganz wichtiger Teil der Gruppe.

Was hat Dich eigentlich 2008 hergeführt, liebe Dani? Und warum machst Du genau diese Aufstellungsarbeit?
DANI: Damals habe ich immer wieder mal über ‚Familienaufstellung‘ gelesen. Je mehr ich darüber erfuhr, desto größer wurde meine Neugier. Genau in dieser Zeit hat meine langjährige und sehr enge Freundin mit der Aufstellungsarbeit bei Dir begonnen – und irgendwann hat sie mich einfach mitgenommen. 
Ich mache diese Arbeit, weil sie mir guttut. Für mich ist es ein ‚Hinschauen’. Das ist nicht immer einfach, aber immer toll. Jeder Abend ist anders, jeder Abend ist gut. 

Wir arbeiten mit dem farbigen Feld. Die bunten Matten dienen zunächst als Platzhalter und formen das Feld. Was ist für Dich der Nutzen an dieser verdeckten Art der Aufstellung?
Für mich ist der offensichtlichste Vorteil, dass die Teilnehmer unbefangen sind und bleiben, um sich voll auf den Moment einlassen zu können. In der Regel weiß nur derjenige, der seine eigene Situation aufstellt, für wen oder was eine bestimmte Matte steht und erhält so ein unverfälschtes Bild. Mit jeder konkreten Information kommt häufig eben auch die persönliche Interpretation, zumindest kann ich mich nicht davon freisprechen. 

Kannst Du Dich an Dein ‚erstes Mal‘ erinnern?
Oh ja – ich war echt aufgeregt und dachte, da schaue ich erst mal einfach nur zu. Es kam anders und viel besser! Nachdem Du offen und sachlich beschrieben hast, was Aufstellungsarbeit ist, was sie ‚kann‘, was nicht und welche Methode Du anwendest, war ich eigentlich schon mittendrin. Ich habe zwar keine eigene Situation aufgestellt, aber gleich in der zweiten Runde bat mich jemand, Stellvertreter in seiner Aufstellung zu sein. Ich habe keine Sekunde gezögert – jegliche Bedenken hatten sich einfach in Luft aufgelöst.

Ich bemerke häufiger, dass die Menschen eine gewisse Scheu haben, wenn sie noch nie bei einer Aufstellungsarbeit dabei waren. Kennst Du das? Hattest Du die auch?
Ja klar – ich hatte genau drei Sorgen! 
Erstens: Hoffentlich mache ich nichts falsch. 
Zweitens: Was, wenn sich das Bild meiner ‚perfekten’ Familie als falsch erweist?
Drittens: Ich glaube an die Wissenschaft und ich will immer alles verstehen. Geht mir das womöglich zu sehr in eine spirituelle Richtung? Was machen wir da wohl für ‚schräge Dinge‘?

Und wie bist Du damit umgegangen?
Ich habe es einfach ausprobiert.
Zum ersten Punkt hast Du mir ja gleich den Wind aus den Segeln genommen. „Du kannst nichts falsch machen, alles ist richtig“, hattest Du gesagt. Wie wahr!
Zum zweiten kann ich nur sagen: Es geht bei dieser Aufstellungsarbeit nicht zwangsläufig um Familie. Jedes Thema ist willkommen! Und meine eigene Familie ist natürlich nicht perfekt, aber ich liebe sie und daran hat auch keine Aufstellung etwas geändert. Diese Arbeit hat mir allerdings ermöglicht, die ein oder andere Situation mal mit anderen Augen zu sehen.
Und zum dritten: Schon nach Deiner Einführung und dann spätestens nach meinem ersten Abend wusste ich, dass auch diese Bedenken unbegründet waren. Was soll schon passieren? Ich kann die Aufstellungsarbeit ziemlich sachlich sehen und erklären. Und inzwischen kenne ich ähnliche Techniken auch aus dem Coaching in meinem beruflichen Umfeld. Also alles weit entfernt von spooky. ; )

Und wie ist es heute für Dich, wenn Du zur Aufstellung kommst?
Egal, wie regelmäßig ich es schaffe, es ist immer ein Gefühl des ‚Nachhausekommens‘ zu ganz lieben Menschen! Die Gruppe ist selten genau gleich. In der Regel sind immer ein paar ‚alte Hasen‘ dabei und auch immer wieder ein neues Gesicht – und jeder gehört sofort dazu. Verrückt eigentlich: Es ist eine Gruppe von Menschen mit völlig unterschiedlichen Charakteren, Berufen, privaten Situationen und eben mindestens einer Gemeinsamkeit – alle wollen etwas wissen, besser verstehen, einen anderen Blickwinkel wagen und sich selbst besser kennenlernen.

Kommst Du denn immer mit eigenem Anliegen?
Also, ich habe jetzt nicht immer selbst ein Thema, das ich aufstellen möchte. Ich komme auch gerne um andere zu unterstützen. Und das wiederum ist für mich selbst meist genauso spannend und hilfreich!

Ich freue mich natürlich sehr, dass Du auch nach so vielen Jahren immer wiederkommst! Magst Du erklären warum?
Für mich ist die Aufstellungsarbeit ein Werkzeug, das ich für jede Lebensphase ‚verwenden‘ kann. Egal, ob in einer Krisensituation oder einer Glückssträhne, ich sehe es nach wie vor als Geschenk, dieses Tool für mich entdeckt zu haben.

Was hat Dir die verdeckte Aufstellungsarbeit gebracht?  
Also mir hat die Aufstellungsarbeit schon oft geholfen, eine Situation in meinem Leben, ein Gefühl, eine Beziehung und vieles mehr einfach mal aus einer anderen Perspektive betrachten zu dürfen.
Dieser Blickwechsel schützt vor ‚Betriebsblindheit‘ und er hat mir sehr oft mehr Klarheit verschafft oder einen völlig neuen Denkanstoß gegeben.

Selbst ein reflektierter Mensch kann alleine selten das leisten, was ein Team zustande bringt. So sehe ich das hier auch. Diese vertrauensvolle Art von Team-Work ist manchmal überraschend, manchmal bestätigend und immer sehr spannend! 

Wie ist es für Dich als Stellvertreter bei den Aufstellungen der anderen? 
Für mich erklärt sich das so: Jeder Mensch trägt bewusst oder unbewusst unglaublich viele Informationen mit sich. Diese und die Gefühle werden durch die Stellvertreter ‚sichtbar‘ gemacht. So entsteht ein klareres Bild von dem was ‚ist‘, beziehungsweise zumindest von der gefühlten Realität. Und so wird manchmal plötzlich klar, wo das eigentliche Problem liegt und welche Optionen bestehen, um es zu lösen.

Die Aufstellungsarbeit bei Dir ist auch sehr flexibel und abwechslungsreich: Mal legt derjenige der aufstellt selbst mit den Matten ‚sein Bild‘; mal werden konkret Personen gebeten, sich auf eine bestimmte Matte zu stellen; mal machen wir eine Runde und fragen ‚wer ist dabei?‘ und dann zieht jeder eine Matte, der sich angesprochen fühlt. So gibt es einige Variationen, die oftmals intuitiv gewählt werden. Und es fühlt sich immer richtig an!

Was passiert denn, wenn Du als Stellvertreter auf einer Matte stehst?
Während der Aufstellung kommen bei mir praktisch immer irgendwelche Gefühle hoch. Fröhlichkeit, Gleichgültigkeit, Traurigkeit, Wut oder ein Glücksgefühl – irgendwas ist immer dabei. Und zwar ganz unabhängig davon, ob ich weiß, worum es geht, weil es meine eigene Aufstellung ist. Oder, ob ich nichts weiß, weil ich Stellvertreter für die Anderen bin.  

Und wie ist der Moment nach der Aufstellung, wo Du das Thema noch nicht kennst und noch nicht weißt, welche Bewegung Du da gesehen oder was Du da gehört hast? 
In den meisten Fällen ist das Bild, das wir sehen können sehr klar. Zumindest für die, die nicht wissen, was sich hinter dem Bild verbirgt. Und dann bin ich natürlich neugierig, was das Thema ist, wer wen oder was repräsentiert hat und wie das alles zusammenpasst. 

Die Auflösung der Arbeit gibt es ja immer erst zum Schluss. War es für Dich immer stimmig?
Wenn die Aufstellungen am Ende aufgelöst werden und wir erfahren, was wir gesehen haben, relativiert sich in der Regel alles. Das, was ich von außen beobachten konnte oder auf einer Matte erlebt habe, ergibt dann zusammen mit der Information, wofür jede Matte stand, ein gutes Gesamtbild. Dieses führt meistens auch direkt zu Ideen und möglichen Ratschlägen, wenn sie gewünscht sind.
Das bedeutet natürlich nicht, dass das, was ich oder auch jeder andere von außen sieht, immer zu DER einen Lösung oder ‚richtigen‘ Interpretation führt. 
Es ist am Ende ein Strauß verschiedener ‚Blicke‘ aus unterschiedlichen Perspektiven, die man mit nach Hause nimmt.

Und bei Deinen eigenen Aufstellungen?
Da kommt es sehr auf das Thema an. Ich erinnere mich sowohl an herzhaftes Lachen, als auch an Tränen während der Aufstellung sowie während und nach der Auflösung. Ich bin immer ganz beseelt und sehr dankbar für alle, die sich die Zeit nehmen, mich bei meinem jeweiligen Thema zu unterstützen. Ich freue mich über jeden Rat. Manchmal sehe ich sofort, welche Diskussion oder welcher Ratschlag mich weiterbringt, manchmal werde ich auch einfach ‚nur’ bestätigt in dem, was ich selbst schon gedacht habe, manchmal ist das in einem Nebensatz Gesagte sehr wertvoll und zutreffend. Oft erkenne ich das dann erst im Nachgang.

Bei der Abschlussrunde gibt jeder auf Wunsch demjenigen der aufgestellt hat noch etwas mit. Macht das für Dich Sinn?
Auf jeden Fall. Zuvor waren die meisten Kommentare zwar hilfreich, aber frei vom Thema. Diese abschließende Runde ist dann noch mal wie ein zusätzliches Geschenk. Jeder kann nun – entweder mit der Erfahrung auf der Matte oder als Zuschauer von außen – im konkreten Kontext einen Rat geben.

Glaubst Du, derjenige der aufgestellt hat, kann mit dem ein oder anderen Rat aus der Runde etwas anfangen?
Absolut – ich weiß es von mir selbst und auch von anderen. Das kann sich vielleicht auch jeder vorstellen: Manchmal ist ein Rat von einem Menschen, dem man vertraut, der aber nicht in dieser Situation involviert ist, sehr wertvoll. So ist es hier auch. Und am Ende kann jeder ja für sich entscheiden, den Rat anzunehmen oder nicht. 

Hattest Du das Gefühl, in irgendeine Richtung gedrängt oder gar manipuliert worden zu sein, was sich nicht gut für Dich angefühlt hat
Nein. Also das ist mir noch nicht passiert. Ich meine damit nicht, dass die Aufstellung mich nicht auch manchmal aus der Komfortzone gelockt hat. Es ist nicht immer ‚gemütlich‘. Aber am Ende hat jeder selbst in der Hand, was okay ist und was nicht. Und dies wird in unseren Runden auch respektiert.

Hast Du einen Rat für diejenigen, die noch überlegen, mal dabei zu sein?
Einfach machen. Was soll schon passieren?

Dankedankedanke, liebe Dani, dass Du uns diesen tiefen Einblick und Deine wertvolle Zeit geschenkt hast!

 

 

„Alice: 
‚Würdest Du mir bitte sagen,
wie ich von hier aus weitergehen soll?‘ – 
‚Das hängt zum großen Teil davon ab, wohin Du möchtest‘, 
sagte die Katze. Alice: ‚Das ist unmöglich …‘  
Hutmacher: ‚Nur, wenn man nicht daran glaubt!‘



Aus „Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll